Zum Muttertag von Goethe:
„Obgleich kein Gruß, obgleich kein Brief von mir
So lang dir kömmt, lass keinen Zweifel doch
Ins Herz, als war‘ die Zärtlichkeit des Sohns,
Die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust
Entwichen. Nein, so wenig als der Fels,
Der tief im Fluss vor ew’gein Anker liegt,
Aus seiner Stätte weicht, obgleich die Flut
Mit stürm’schen Wellen bald, mit sanften bald
Darüber fließt und ihn dem Aug‘ entreißt,
So wenig weicht die Zärtlichkeit für dich
Aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom
Vom Schmerz gepeitscht bald stürmend darüber fließt,
Und von der Freude bald gestreichelt still
Sie deckt und sie verhindert, dass sie nicht
Ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher
Zurückgeworfne Strahlen trägt und dir
Bei jedem Blicke zeigt, wie dich sein Sohn verehrt.“
Johann Wolfgang von Goethe ( 1749 -1832),
deutscher Dichter
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